0:21-0:26

Der jūji uke (gerne als „Kreuzblock“ übersetzt) hat es nicht leicht. Entweder wird er als unrealistisch eingestuft oder es werden wider besseren Wissens (vermutlich eher mangels besseren Wissens) in der Tat unrealistische Doppelblocks gegen Tritte oder Waffenangriffe ausgeführt, die zwangsläufig einer echten Überprüfung nicht standhalten können. Doch ist der jūji uke so ein Relikt vergangener Tage, das aus missverstandenen Traditionsgründen noch irgendwie mitgeschleppt wird, dessen Bedeutung sich aber nicht wirklich erschließen lässt?

Ich sage nein! – der jūji uke ist ein fundamentaler Bestandteil von Karate und praktisch jeder anderen Kampfkunst. Der jūji uke steckt in allen uke waza und vielen weiteren Aktionen. Er begegnet uns in jedem Training. Und für einen jūji uke müssen sich die Arme weder tatsächlich kreuzen noch berühren. Wie das?

Zur Erklärung müssen wir uns von der im ersten Teil des Artikels angesprochenen Bild- & Endpunktbetrachtung einer Technik lösen (Teil 1). Besser noch vom Begriff „Technik“ an sich. Was bedeutet das? Ein jūji uke ist nicht nur der eingefrorene Moment, in dem sich die Hände kreuzen, sondern auch der Weg dorthin und danach (Sequenz). Weiterhin hilft eine Betrachtung abseits der Äußerlichkeiten (=Technik). Welches Grundprinzip liegt der Bewegung zu Grunde?

Betrachten wir uns eine Kampfhaltung vor dem Hintergrund div. beidhändiger uke waza (was nahezu alle uke waza betrifft – schauen Sie sich unter dem Stichwort „uke waza“ die bereits hier verlinkten Beispiele auf meinem Blog an – hier) sehen wir bereits das „Kreuz“ als Option:

kamae

D.h. sollte aus der gezeigten Position bspw. die Annahme eines Schlages erfolgen (‚obere‘ Hand stellt Kontakt zum angreifenden Arm her, Übergabe an ‚untere‘ Hand, ‚untere‘ Hand führt weiter oder kontert), bildet sich ein „Kreuz“ im Moment der Übergabe. Die Bewegung erfolgt dabei nicht gleichzeitig, wie Andree Kielholtz hier unter dem Stichwort „zeitversetzter Block“ beschreibt: Insight Budo – juji uke Dieses „zeitversetzte Übergabeszenario“ ist nahezu allen uke waza zu eigen und wird hier ebenfalls aus Sicht einer autenthischen Okinawa-Schule beschrieben: „…the left hand parries across the body similar to how a boxer might parry a jab. Along with the parry Suenaka slides forward and to the outside of the punch as the right arm and open hand shoots forward and upward under the attacking arm (creating a uneven “X” technique). The forearm of the right arm and the left palm parry briefly interrupt and catch the punch…“ (Quelle: A glimpse of old Karate). Um auch einmal ein Beispiel außerhalb von Karate zu wählen – im Folgenden sieht man bei Check und Übergabe sehr gut den Moment des jūji uke – das ganze Video besteht eigentlich nur aus jūji uke. Besonders gut zu sehen, da sie manchmal die Bewegung anhalten. Das Gezeigte trifft ebenso auf uchi-, soto-, age-, shuto uke etc. zu:

Das imaginäre Kreuz findet sich ebenfalls in vielen Würfen – so bspw. in der bereits im Blog verlinkten Anwendung zu Heian Godan (hier) oder in folgenden Beispiel:

juji2

Auch wenn nicht unmittelbar ein „Kreuz“ gebildet wird, ist somit vom Prinzip ein jūji uke vorhanden. Das Gleiche gilt für jūji uke in 3D – so sehen wir in folgendem Videobeitrag nicht nur offensichtliche jūji uke (2:12; 2:15; 2:53-2:55), sondern dieser liegt auch vor, wenn die Schwerter auf unterschiedlichen Ebenen agieren und so ein übereinandergelegtes Kreuz bilden (bspw. bei 1:38 & 2:58).

Weiterhin bildet die Ausgangshaltung auch in der oben gezeigten Vorführung das „Kreuz“ bereits als Option – stellen wir uns ein X an der Stelle vor, an dem die beiden imaginären Linien der Schwerter vor dem Verteidiger zusammentreffen.

Das kreuzende Element ist ebenfalls bei den meisten der im Folgenden gezeigten Konter anzutreffen (Annahme & der Gegenschlag kreuzt den annehmenden Arm):

Vieles des bereits Geschriebenen wird von den beiden Protagonisten des Karate Culture Channels noch einmal treffend veranschaulicht und erklärt – ich halte den Kanal generell für empfehlenswert:

Abschließend möchte ich noch ein Beispiel aus einem modernen SV System bringen. Der jūji uke begegnet einem wirklich überall 😉

Folgende Clips zeigen alle das gleiche Grundprinzip von annehmenden Techniken (=uke waza). Das Gezeigte lässte sich auf alle uke waza übertragen. „Zero“, weil die gezeigte Arbeit für mich zur Grundlage für die Anwendung von uke waza gehört und damit am Anfang steht.

Schönes Beispiel für gedan barai

 

Ideen für uchi uke

 

0:35-0:49 uchi uke als arm drag

Von 0:57 bis 1:14 sieht man soto uke & uchi uke in recht grundlegender Form.

Schöne age uke Sequenz. Wer sagt man muss eine Bewegung stoppen oder im Rhytmus ausführen? Man sieht ebenfalls die Annahme durch die „Ausholbewegung“, Weiterführung der Bewegung und hikite. Eine „Technik“ ist ein Gesamtpaket, nicht nur ein isolierter Teil der Bewegung.

Die folgenden Videos veranschaulichen aus meiner Sicht exzellent, wie „basic“ uke waza am Partner in fließender Form umgesetzt werden können. Erkennt jemand die ganzen soto-, uchi-, age uke und gedan barai?

Blog über Blocks

10/01/2015

In der Prüfungsordnung eines großen deutschen Karateverbandes lesen wir, dass der jeweilige Block kraftvoll bzw. so stark auszuführen ist, dass die Angriffstechnik soweit abgeblockt wird, um einen Konter zu ermöglichen.

Abgesehen von der falschen und limitierenden Übersetzung (uke bedeutet Aufnahme/Annahme) – versuchen Sie einmal weich aufzunehmen, vielleicht ist dann gar kein Konter mehr nötig. Ebenso kann nach Aufnahme der Angriff weitergeleitet und der Gegner destabilisiert werden (bspw. durch Rollen des aufnehmenden Arms), was eigene Konter erleichtert und den eigenen Bewegungsfluss nicht unterbricht.

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die „five steps towards usability“ nach Ushiro Kenji: http://www.aikidojournal.com/article?articleID=152